Große Umbrüche mit starkem Blick in die Zukunft

Besondere Betriebserkundung: - Pfarrer und Seelsorger/-innen besuchen den Chemiepark GENDORF. Mit 4000 Arbeitsplätzen ist der Chemiepark ein wirtschaftlich wichtiger Knotenpunkt.

Vor mehr als 80 Jahren gegründet ist er heute der größte Chemiepark in Bayern: Der Chemiepark GENDORF in der Gemeinde Burgkirchen/Alz (Landkreis Altötting) ist ein Standort für mehr als 30 Unternehmen aus der Basis- und Spezialitäten-Chemie, mit InfraServ Gendorf als Betreibergesellschaft. Mit 4000 Arbeitsplätzen ist der Chemiepark ein wirtschaftlich wichtiger Knotenpunkt. Durch den Rückzug des dort ansässigen Unternehmens Dyneon aus der Fluorpolymer-Produktion bis Ende 2025 sind knapp 700 Arbeitsplätze betroffen. Indirekt stehen durch die angekündigte Werksschließung aber vermutlich noch weitere gut bezahlte Jobs auf dem Spiel. Die Produktion der verschiedenen Unternehmen im Chemiepark sind untereinander verflochten und werden Auswirkungen spüren. Die Sorge der Menschen hier in der Region vor der Zukunft wächst. 
Deshalb ein ganz besonderer Grund für Domkapitular und Dekan Heribert Schauer mit dem Betriebsseelsorger der Diözese Passau und KAB (Katholische Arbeitnehmer Bewegung) Diözesanpräses Johannes B. Trum zusammen mit den Priestern und Seelsorger/-innen aus den Pfarrverbänden und des kirchlichen Lebens des Dekanats Altötting dem Betrieb einen Besuch abzustatten und sich selber einen eigenen Eindruck zu verschaffen.

Organisiert wurde die Führung von Prodekan Erwin Jaindl im Rahmen des DIES/Dekanat Altötting. Die Werksführung durch den Chemiepark begleiteten sachkundig Dr. Walter Foag und Dr. Karl Eberl, beide Chemiker und inzwischen im Ruhestand. Nach einem kleinen Stehimbiss startete die einstündige Busrundfahrt durch das 197 ha große Betriebsgelände zu einem großen Rundumblick mit einem Straßennetz von 13 km, 450 Gebäuden, 24 km Gleisstrecke und 100 km Kanalnetz. Das Produktionsvolumen liegt bei 1,6 Millionen Produktionstonnen/Jahr. Die hier ansässigen 30 Unternehmen produzieren ca. 1500 Produkte für Anwendungen, die aus unserem Alltag nicht wegzudenken sind. Bei einem Rundblick in unserer eigenen Küche finden sich viele hier produzierte Produkte. Hergestellt werden zum Beispiel Waschmittel, Pflegeprodukte, Textilien, Enteisungsmittel, Bremsflüssigkeit. Großer Vorteil des Chemieparks GENDORF: Die Unternehmen sind eng miteinander vernetzt. Was die eine Firma herstellt, das dient einer anderen als Ausgangsprodukt. Abfallstoffe werden zu Rohstoffen. „Dadurch werden Millionen Kilometer an Transporten vermieden, Ressourcen und Energie gespart“, so die beiden Werksführer Foag und Eberl.
Außerdem erfuhren die Teilnehmenden, dass 46 % des Transportes über die Schiene verläuft und dass Strom in einer Energiegröße von 250.000 Hausalten benötigt wird. Auch Sicherheit wird großgeschrieben: Eine hauptberufliche Werksfeuerwehr mit über 50 qualifizierten Werkfeuerwehrmännern und 17 Fahrzeugen ist im Schichtbetrieb im Einsatz – rund um die Uhr. Aus dem 25 m hohen Turm war weißer Rauch zu sehen: „Das ist nur mehr ungefährlicher Dampf“ konnten die Werkführer die Teilnehmenden aufklären. „Seit 2008 ist zudem auf abbaubare Substanzen umgestellt worden“. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind feste Bestandteile der Grundsätze im Chemiepark. Der Schutz von Mensch und Umwelt wird kontinuierlich verbessert. Eine besondere Rolle nimmt die Luftreinhaltung, der Gewässerschutz und die Abfallvermeidung ein. Davon zeugen die Rückgewinnungsanlage, die weltweit einzigartig ist, und eine Kläranlage, die Abwässer einer Stadt so groß wie Rosenheim reinigen könnte. 2024 erhielt der Chemiepark auch wieder die Einleitgenehmigung für die Einleitung von unbelastetem Kühlwasser und gereinigtem Produktionswasser in die Alz. 

Nach der eindrucksvollen und sehr informativen Busrundfahrt war die Gruppe von Tilo Rosenberger-Süß, Leiter Kommunikation des Standortbetreibers InfraServ Gendorf, zu einem Hintergrundgespräch eingeladen. „InfraServ Gendorf: Das ist auf der einen Seite der „Hausmeister“ und auf der anderen Seite der „Bürgermeister“ – also der Entwickler für die Zukunft“, so Rosenberger-Süß. Der Betreiber kümmert sich um alle übergreifenden Aufgaben, zum Beispiel die Versorgung mit Energie und Rohstoffen, Sicherheit, sowie um die Logistik. Durch die Bündelung dieser Aufgaben können die angesiedelten Unternehmen Kosten sparen.
Rosenberger-Süß teilte mit, dass die Chemieindustrie sich in einem wichtigen Wandel befindet. In Deutschland ist die chemische Industrie generell rückläufig; in den letzten Jahren ergaben sich hohe Produktionsverluste- vor allem infolge der stark gestiegenen Energiepreise, welche die  internationale Wettbewerbsfähigkeit einschränken. USA und Asien hätten um ein Vielfaches niedrigere Energiepreise. „Früher konnte das noch mit Effizienzmaßnahmen ausgeglichen werden. Inzwischen ist die Rentabilitätsgrenze zunehmend unterschritten – die chemische Industrie kämpft – das ist eine Gefahr für den Industriestandort Deutschland“, so der Leiter der Kommunikation.

Erschwerend kommt in Gendorf der komplette Ausstieg bis Ende 2025 des US-Konzerns 3M, zu der Dyneon gehört, aus der PFAS-Produktion und -verarbeitung dazu. Dyneon betreibt aktuell noch den international als modernsten und umweltfreundlichsten geltenden Produktionsstandort für Fluorkunststoffe in Gendorf. Dyneon ist der einzige Hersteller von Fluorpolymeren in Deutschland und einer von wenigen in Europa. PFAS sind chemisch äußerst stabil, sie reagieren kaum bis gar nicht mit anderen Stoffen, selbst aggressiven Chemikalien. Sie sind dadurch auch wasser-, schmutz-, und fettabweisend. Auf der anderen Seite werden sie in der Natur fast gar nicht oder nur sehr langsam abgebaut, dadurch haben sie auch den Beinamen Ewigkeitschemikalien“ erhalten, erfuhren die Teilnehmenden. Auch dass sie zu den Hochleistungskunststoffen gehören und bei vielen medizinischen Produkten, z. B. Implantate, Herzkatheder oder Schläuche, verwendet werden, die Leben retten. Die Abhängigkeit von Produkten aus Asien wird weiter zunehmen, Verknappung und Preissteigerungen in Europa sind sicher eine weitere Folge, so der Blick in die Zukunft von Rosenberger-Süß.

Die Seelsorger waren in der anschließenden Fragerunde vor allem daran interessiert, was mit den Menschen geschieht, die jetzt noch bei Dyneon arbeiten und welche Zukunftspläne der Standortbetreiber InfraServ Gendorf hat.

Für Betriebsseelsorger Johannes B. Trum lag das Augenmerk besonders bei den 700 Mitarbeitenden von Dyneon, die ihre Arbeit und damit ihre Existenzgrundlage verlieren, ebenso bei den Unternehmen und Betrieben, die mit der Produktion Dyneons verknüpft sind.  „Welche Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitenden lässt hier der amerikanische Konzern walten?“ In diesem Zusammenhang verwies Rosenberger-Süß  auf die Arbeitsmarktsituation in der Region: „Nach wie vor  werden hier im Chemiedreieck Mitarbeiter gesucht – vor allem gut ausgebildete Fachkräfte müssen sich deshalb bisher wenig Sorgen machen. Für die Auszubildenden besteht außerdem eine Ausbildungsgarantie im Chemiepark.  Ältere Arbeitnehmer können in den vorzeitigen Ruhestand gehen“, so die Einschätzung von Rosenberger-Süß

Dekan und Stadtpfarrer Heribert Schauer bedankte sich für die gut organisierte Werksführung bei den beteiligten Personen und dass alle dadurch einen guten Einblick in den großen Chemiepark allumfassend gewinnen konnten. Hinsichtlich der Umbrüche in den kommenden Jahren weiß er um die Aufgabe seiner Kirche: „Wir haben eine große Verantwortung für die Menschen in dieser Region, wir müssen an Ihrer Seite stehen“. 

Die Region ist von der Chemie wirtschaftlich abhängig. Wenn die Chemie krankt, krankt die ganze Region. „Gendorf ist Umbrüche in seiner Geschichte gewohnt“, sagte der Kommunikationsleiter Rosenberger-Süß und blickt mit einem strategischen Fahrplan 2045 zuversichtlich in die Zukunft. „Man sei dabei überzeugt, dass der Chemiepark weiterhin „ein tragfähiges Fundament für die Region bilde – mit etablierter Infrastruktur, Know-how und hochqualifizierten Menschen, um auch in der Zukunft den Wohlstand für Industrie und Gesellschaft zu sichern“.

BU Bild 1: v.l.: KAB Diözesansekretärin von Altötting Monika Wagmann, Werkführung Dr. Karl Eberl, KAB Diözesanpräses und Betriebsseelsorger Johannes B. Trum, Prodekan und Stadtpfarrer von Burghausen Erwin Jaindl, Renate Fleißner Kommunikation InfraServ Gendorf, Werkführung  Dr. Walter Foag, Dekan und Stadtpfarrer von Neuötting Heribert Schauer. Bildquelle: Monika Wagmann

BU Bild 2: r.i.B:  Tilo Rosenberger-Süß, Leiter Kommunikation InfraServ Gendorf, zur Lage des Chemieparks Gendorf. Bildquelle Elfriede Brunnhuber

BU Bild 3 v.l.: Prodekan Pfarrer Erwin Jaindl,  Tilo Rosenberger-Süß und Betriebsseelsorger Johannes B. Trum im Gespräch. Bildquelle: Monika Wagmann

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